Kurzer Abriss einer wechselvollen Geschichte

 

Im Mai 1858 beschlossen einige Klosterneuburger Bürger um den Stiftsbuchhalter Franz Mülldorfer, nach dem damals im Deutschen Bund üblichen Vorbild für bürgerliche Gesangspflege und Geselligkeit einen ‚Männergesangverein Klosterneuburg’ zu gründen. Der ersten Versammlung der Proponenten am 10.Juli in der Stiftskellerei folgten die erste Probe im Singzimmer des Stiftes sowie am 25.November die Vereinsgenehmigung durch die k.k. niederösterreichische Statthalterei.

Der Hauptfokus war auf das ‚Deutsche Lied‘ gerichtet, noch lange Jahre pflegte man den Wahlspruch ‚Deutscher Sinn, deutscher Sang hebt das Herz mit hellem Klang ’.
Die hauptsächliche Veranstaltungsform waren ‚Liedertafeln’, deren erste noch am Ende des Gründungsjahres in der Gastwirtschaft „Zum Goldenen Schiff“ (heute Rathausplatz 4) stattfand.

Bei der vierten Liedertafel am 23.Juli 1859 war der politische Kontext bemerkenswert: kurz nach der verlustreichen Schlacht bei Solferino stand sie im Zeichen der Benefiz für Verwundete der k.k. Armee.

Nach und nach wurde das Repertoire auf Instrumentalstücke erweitert; aus einem kleinen ‚Hausorchester‘ entstanden die ‚Musikfreunde Klosterneuburgs‘, die sich später jedoch vom Hauptverein trennten.

1878 widmete der mit den Chorherrenstift verbundene Anton Bruckner dem Männergesangverein ein eigenes Chorstück, das jedoch erst Jahre später uraufgeführt wurde.

Im Jahr 1886 war die Zeit endlich reif für die Aufnahme von Frauen und damit für die neue Form eines gemischten Chors.

Fahnenweihfest am 6. Juli  1890
Fahnenweihfest am 6. Juli 1890

Das erste eigenständige Frauenchor-Konzert (ohne Männer !) ist allerdings erst am 18.November 1904 verzeichnet. Im selben Jahr erfolgte auch der Zusammenschluss der Vokal- mit der Instrumentalgemeinschaft zum ‚Männergesang- und Orchesterverein Klosterneuburg‘.

Unter den ‚satzungsmäßigen Unternehmungen’ erfreuten sich neben den Chorausflügen die Faschingsfeste besonderer Beliebtheit, und zum halben Bestandsjahrhundert gab es am 4. und 5.Juli 1908 eine große Jubiläumsfeier mit Beteiligung zahlreicher Gastvereine.

Auch das 60-Jahr-Jubiläum wurde trotz der andauernden Nöte des Ersten Weltkrieges am 13. Juli 1918 festlich begangen.

Da vier Monate später die ‚Provisorische  Nationalversammlung für Deutsch-Österreich‘ das Wahlrecht auch für Frauen einführte, wurde der Vereinsname 1919 geschlechtsneutral auf ‚Gesang- und Orchester-Verein Klosterneuburg’ geändert, später mit dem Zusatz ‚(gegründet) 1858‘.

In der allgemeine Notlage der Zwischenkriegsjahre blühte das Vereinsgeschehen: 1923 wurden 162 ausübende Mitglieder verzeichnet, und das Jahr 1928 brachte die vielbeachtete Teilnahme am großen Festzug des zehnten Deutschen Sängerbundesfestes in Wien.
Auf künstlerischem Gebiet sind Aufführungen der bekanntesten Chor-Orchesterwerke Joseph Haydns, der ‚Jahreszeiten‘ (1924) und der ‚Schöpfung‘ (1932), hervorzuheben. Auch Symphoniekonzerte ohne Chorbeteiligung wurden  in dieser Zeit veranstaltet. Schließlich fand am ersten Juli-Wochenende 1933 mit großem Aufwand die ‚75jährige Jubelfeier‘ statt.
Am 4.Juni 1938 nahm der Männerchor noch an einer ‚Deutschen Abendmusik‘ teil, danach fehlen für die Zeit des Zweiten Weltkrieges Quellen und Chronikeinträge.

Die Wiederaufnahme der offiziellen Vereinstätigkeit im November 1945 führte auch wieder zu regelmäßigen Konzertaufführungen, unter denen das Festkonzert zum 100.Bestehen des Vereines am 14.Juni 1958 herausragte.

In den 1960er  Jahren geriet der Verein allerdings in eine Krise, für die ‚die allgemeine Gleichgültigkeit und der Rückzug der Menschen ins reine Privatleben‘ verantwortlich gemacht wurden.
Die Reaktivierung glückte, und im Jänner 1974 erfolgte die Umbenennung des Vereins auf die Bezeichnung ‚Stadtchor Klosterneuburg’.

Am 30. April 1978 wurde das 120-Jahr-Jubiläum mit einem Festkonzert in der 1969 errichteten Babenbergerhalle begangen; dabei traten neben dem Stadtchor der kurz zuvor gegründete Jugend- bzw. Kammerchor sowie ein ‚Kammerensemble’ von Instrumentalisten in Erscheinung, das auch später bei Bedarf herangezogen wurde.
Weitere Jubiläumsfeste wurden 1983, 1998, 2003, 2008 und 2013 durchgeführt. Im Jahr 2018 feierte der Stadtchor seinen 160. 'Geburtstag'  mit einem Doppelkonzert in der Stiftskirche.

Von den Persönlichkeiten, die seit 1858 in der Vereinsführung tätig waren, seien beispielhaft genannt: Karl Bayer, Karl Kraft, Anton Schierl, Rudolf Skall, Alfred Stanka, Franz Weigert und Heinrich Weil.

Der Stadtchor im Jahr 1985 unter Erhard Lorenz
Der Stadtchor im Jahr 1985 unter Erhard Lorenz

Unter den künstlerische Leitern finden sich Namen wie Josef Böck, Gustav Fischer, Robert Fontane, Hans Kmeth, Rainer Lendl, Erhard Lorenz, Wilhelm Pietsch, Karl Schnürl, Eduard Seidel, Lam Tran Dinh, Ernst Würdiger und Christoph Wutscher.

In jüngerer Zeit sorgte Ingmar Beck als Chorleiter zwischen 2012 und 2017 für einen künstlerischen Aufschwung. Dem höchstmöglichen Niveau fühlt  sich auch sein Nachfolger Christopher Devine mit Erfolg verpflichtet.
An der Spitze des Vorstands war von 1999 bis 2015 mit Magda Bieber die erste Frau. Ihrer Nachfolgerin Elisabeth Mach ist die Wiederbelebung der Tradition eines Chor- und Orchestervereins durch die Gründung der Philharmonie Klosterneuburg im Jahr 2018 zu verdanken.

Im März 2022 übernahm schließlich ein neuer Vorstand mit Manfred Pregartbauer als Obmann die organisatorischen Geschicke. Nach der Coronapause folgte ein überaus intensives "Comebackjahr".


Der Stadtchor kooperierte mit Gastchören und einem Gastorchester für Haydns "Schöpfung" und Beethovens "Messe in C-Dur", dazu kamen zwei Instrumentalkonzerte der Philharmonie. Im April 2023 traten schließlich der Stadtchor und die Philharmonie bei zwei 'Pasticcio'-Konzerten wieder gemeinsam vor ihr Publikum.

Der Verein wird sich weiterhin bemühen, seinen Beitrag bei der "Schaffung eines kulturell gedeihlichen Umfelds für die Klosterneuburger Bevölkerung" zu leisten.


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Quellen: Archiv der Stadt Klosterneuburg, Stadtchorarchiv, Festschriften zu 120, 150 und 160 Jahre Stadtchor; siehe auch den Beitrag im Amtsblatt 8/2018, S.35